"Nur gute Schulen laden mich ein"

Der Erziehungswissenschaftler und Kriminologe (Zitat: "Nur gute Schulen laden mich ein") machte in einem sechsstündigen Seminar an der Johann-Textor-Schule deutlich, wie festgefahren die deutsche Lernideologie ist und wie man unmotivierten Schülern wieder Spaß am Lernen vermitteln kann. Rund 200 solcher Veranstaltungen bestreitet Prof. Dr. Peter Struck jährlich in der Bundesrepublik und im europäischen Ausland.

Rund 50 Lehrerinnen und Lehrer verfolgten die kurzweiligen Ausführungen. Unter anderem präsentierte der Experte die von ihm aufgestellten "15 Gebote des Lernens" (siehe Kasten auf dieser Seite). "Jüngere Kollegen wissen oft, wovon ich spreche. Ältere dagegen eher nicht", bedauerte der Erziehungswissenschaftler. Dabei sei die Umsetzung neuer Lernmethoden sehr wichtig, um im weltweiten Vergleich den Anschluss nicht zu verlieren. Doch allein das überdurchschnittlich hohe Alter der Pädagogen in Deutschland lasse das nicht immer zu. Derzeit beschäftigt die Bundesrepublik Deutschland die ältesten Lehrer der Welt - das Durchschnittsalter liegt laut Struck bei 52 Jahren. Allerdings sei bei der Umsetzung neuer Methoden nicht immer der Lehrer ein Hindernis, betonte der Fachmann: "Vieles wird in den Kultusministerien entschieden, und je weiter eine Schule von der Landeshauptstadt weg ist, desto besser läuft das." Derzeit gebe es 42 000 Schulen in Deutschland, die sich im internationalen Vergleich zwar verbessert hätten, dennoch aber den Schülern nur wenig Motivation zum Weiterlernen vermittelten. Lediglich 19,1 Prozent der Abiturienten strebten in Deutschland einen Hochschulabschluss an. In südeuropäischen Ländern sei die Motivation größer. Dort liege die Zahl doppelt so hoch, sagte Struck.Prof. Dr. Peter Struck von der Universität Hamburg sprach vor 50 Haigerer Lehrern über bessere Lehrmethoden.

Nach Angaben der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) habe Deutschland - ebenso wie die anderen deutschsprachigen Länder - mit klaren Defiziten zu kämpfen, die bis heute, auch nach dem PISA-Schock aus dem Jahr 2000, nicht maßgeblich verändert worden seien. Zum einen seien die deutschen Schulen immer noch "Belehrungsanstalten", in denen Schüler durch Zuhören ihre Informationen aufnähmen. Dabei sei erwiesen, dass die beste Lernmethode die visuelle Art sei. Ferner herrsche eine regelrechte Beschämungskultur, "Junge Menschen wachsen in ihrer Entwicklung mit zu vielen Niederlagen auf. Nicht nur in der Schule, sondern auch im familiären Umfeld."Es gelte, die Kinder und Jugendlichen zu stärken. Letztlich verfolgten deutsche Pädagogen eine falsche Fehlerkultur: "Bei uns werden Fehler als Übel gesehen. In Kanada werden Fehler und Probleme mehr als "Freunde des Lernens" verstanden. Struck stellte fest, dass sich die Lesekompetenz deutscher Schüler nach dem vierten Schuljahr nicht mehr maßgeblich verbessere. Prof. Struck stimmte die Lehrer der Johann Textor-Schule und von umliegenden Schulen auf die neuen Lernmethoden ein. Auch wenn die "15 Gebote des Lernens" vielleicht schwer in den Unterrichtsalltag einzubauen seien, seien sie ein "Ansatz das Lernen für die Schüler angenehmer zu gestalten", meinte der Hamburger.

(Haigerer Kurier , 30.09.2009, Text und Foto: mg.)

 

Weitere Informationen

  • "Erziehung und Bildung in einer beschäftigungsärmer werdenden Gesellschaft"
    (Ein Artikel von Prof. Struck als Download.)

 


 

 

 

 

15 Gebote des Lernens

  • Langsam starten und dann Gas geben
  • Selbstlernen statt Belehren ("von der Belehnungsanstalt zur Lernwerkstatt")
  • Lernen durch Sprechen und Handeln (statt durch Zuhören)
  • Lernen mit neuer Fehlerkultur
  • Lernen in Partnerarbeit
  • Schüler erklären selbst, sprechen selbst aus, was sie lernen wollen
  • Lernen von Gleichaltrigen: Die besten Lehrer sind andere Schüler
  • Lernen in jahrgangsübergreifenden Lernfamilien
  • Kinder nicht beschämen! Lernen mit Respekt
  • Lernen durch Üben und Anwenden
  • Lehrer als Lehrberater/Coaches
  • Lehrer im Team sind effizienter als "einsame Lehrer"
  • Lehrer als gelassener Lernberater
  • Kinder brauchen Resonanz
  • Lernen mit Präsentieren (Portfolios)
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    Prof. Dr. Peter StruckProf. Dr. Peter Struck hat Pädagogik, Biologie und Kriminologie studiert. Er war zehn Jahre Volks- und Realschullehrer und danach vier Jahre lang Schulgestalter in der Behörde für Schule, Jugend und Berufsbildung in Hamburg. Seit 1979 hat er eine Professur für Erziehungswissenschaft an der Universität Hamburg. Seine Arbeitsschwerpunkte sind Sozial- und Schulpädagogik, Bildungspolitik, Jugendforschung, Familienerziehung und Medienpädagogik.

    Seine wichtigsten Bücher:

    "Die Hauptschule" (1979), "Projektunterricht" (1980), "Pädagogik des Klassenlehrers" (1981), "Erziehung gegen Gewalt" (1994), "Neue Lehrer braucht das Land" (1994), "Schulreport" (1995), "Die Kunst der Erziehung" (1996), "Die Schule der Zukunft" (1996), "Erziehung von gestern, Schüler von heute, Schule von morgen" (1997), "Netzwerk Schule - Wie Kinder mit dem Computer das Lernen lernen" (1998), "Vom Pauker zum Coach - Die Lehrer der Zukunft" (1999, gemeinsam verfasst mit Ingo Würtl), "Erziehung für das Leben" (2000), "Wie schütze ich mein Kind vor Gewalt in der Schule?" (2001), "Lernlust statt Erziehungsfrust" (2001), "Gebrauchsanweisung für die Schule" (2001), "Wie viel Marke braucht mein Kind?" (2002), "Schule macht Spaß" (2003), "Die 15 Gebote des Lernens - Schule nach PISA" (3. aktualisierte Auflage 2008), "Das Erziehungsbuch" (2005), "Elternhandbuch Schule" (2006), "Gegen Gewalt - Erziehung gegen Aggressivität und Angst" (2007), "Lehrer der Zukunft" (2007, gemeinsam verfasst mit Ingo Würtl), Hörbuch: "Die 15 Gebote des Lernens" (2008), Hörbuch:"Das Erziehungsbuch" (2009), "Lernen lernen" (2009) und Hörbuch: "Lehrer der Zukunft" (2010).

    Hinweis: Einige dieser Bücher stehen in der Mediothek als Ausleihe zur Verfügung.

     

    Bei der Zeitschrift Familie & Co saß er als Experte 20 Jahre lang am Erziehungs- und Schulsorgentelefon. Er ist Kolumnist der Zeitungen des Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlags und der Hamburger Morgenpost.