Gelungene Inszenierung einer Kästner-Komödie

Erika Blankenburg ist in Amerika reich geworden. 14 Verwandte trudeln in ihrer Villa ein. Sie haben zwar die verstorbene Tante nie kennen gelernt, möchten aber nun an ihr Erbe. "Verwandte" heißt das Stück, dass Schüler der Johann-Textor-Schule aufgeführt haben.

14 unterschiedliche Charaktere treffen da auf eine Haushälterin, die zwar Gutemine heißt, sie leider aber nie macht. Die in ihrer Art völlig verschiedenen Verwandten eint schließlich eins: Der etwas dümmliche Gesichtsausdruck, als sie während der Testamentseröffnung von Anwältin Rita Klöckner (Chantal) erfahren, dass sie vier Tage gemeinsam in der Villa ausharren müssen, bevor das Testament vollstreckt wird.

Gelungene Vorstellung des Kurses Darstellendes Spiel

Vor ausverkauftem Haus zeigte der Kurs "Darstellendes Spiel" der Jahrgangsstufe 10 der Haigerer Gesamtschule unter der Leitung von Thorsten Tobor am Freitag- und Samstagabend in der Schulaula einmal mehr beachtliche schauspielerische Qualitäten. Die Zehntklässler boten mit "Verwandte" eine komödiantische Aufführung nach einem eher unbekannten Theaterstück von Erich Kästner. Bereichert wurde die Darstellung von ins Geschehen integrierten Gedichten des 1974 verstorbenen Autors.
Während der jeweils mit "Ein Gedicht" angekündigten Vorträge fror die Handlung auf der Bühne ein. Und: Natürlich war die reiche Millionärin nicht tot, sondern hatte sich als ihre eigene Haushälterin ausgegeben, was - wie in einer Verwechslungskomödie üblich - viel Zündstoff für skurrile Situationen bot.

Die gut zweistündige Aufführung war kurzweilig, gelungen und sehr amüsant. Mitunter lachten die Zuschauer Tränen. Kästners exquisiter Humor gab den Geschehnissen auf der Bühne eine besondere Würze. Es menschelt halt immer in Kästners Werken. Und er machte eins klar: Reichtum ist etwas anderes als Geld. So lässt er Otto (Melih), den etwas trotteligen Ehemann von Ingeborg Zander (Silvana), sagen: "Geld wirkt, wie Gift, bei jedem Menschen anders."

Bis "Tante Erika" (Sophie) von den Toten aufersteht, lernen die Zuschauer - und auch Tante Erika selbst - die Verwandtschaft kennen und lieben. Da ist Emma Schramm (Lisa). Sie ist pragmatisch veranlagt und führt daheim mit ihrem Ehemann einen Gemüse- und Bierhandel. Für jede Lebenslage und jede Situation hat sie ein Zitat ihres Ehemanns parat, wie etwa dieses: "Junggesellen wissen zuwenig vom Leben, Ehemänner eher zu viel."

Namensgleichheit mit dem im Publikum weilenden Bürgermeister Mario Schramm und seiner Gattin, waren zwar zufällig, gaben der Geschichte aber eine weitere humorvolle Note und führten bei jedem "Schramm sagt" zu Lachern der Zuschauer.

"Leutnant" Ingeborg Zander hat ihren Alltag straff durchorganisiert, um die Arbeit mit den Kindern Anna (Jessika), Berta (Merle), Cora(Jennifer), Dora (Stine) und Eva (Imran) zu bewältigen. Köstlich, wie sie einen Witz in Befehlston wiedergibt und am Ende zu ihrem ihr ewig zustimmenden Gatten sagt: "Ja, Otto." Emilia Böhmke (Lynn) wittert hinter allem einen Krimi. Ihr ist schnell eins klar: Die Haushälterin hat Tante Erika ermordet.

Zusätzliche Verwirrung stiftet ein junger Mann (Jonathan), der sich zunächst als Neffe Theodor, dann als Journalist ausgibt, aber eigentlich Lothar, der Sohn der wirklichen Haushälterin (Vanessa) ist, die die Geschehnisse in der Villa von Ferne im Auge behalten will. Er verliebt sich in Emilias süße Schwester Hilde (Jennifer). Dr. Christian Blankenburg (Nils) und Gattin Maria Theresia (Laura) haben die Villa bereits vermessen und möchten hier ein Sanatorium nebst Arztpraxis eröffnen.

Tante Paula (Lina) hat zwar keinen guten Ruf, das Herz aber stets aufdem rechten Fleck. Und Cäcilia Blankenburg (Anne Sophie) ist einfach nur schön - und manchmal schön dämlich. Nicht zu vergessen das altkluge Zimmermädchen Elvira, mit viel Esprit gespielt von Rebekka, das als einzige der Anwesenden die besondere Komik der Situation zu schätzen weiß.

Und dann tritt Erich Kästner (Till) selbst auf, berichtet über seine Werke, gibt Gedichte zum Besten.
Die Rollen der gelungenen Aufführung waren allesamtpassend besetzt. Man merkte, da war ein Profi am Werk. Denn Thorsten Tobor, der als Lehrer die Leitung des Stückes hatte, absolvierte auch eine Ausbildung zum Regisseur. Als Dankeschön für das Engagement des Lehrers gab es von seinen Schülern "noch ein Gedicht" eigens für ihn geschrieben - Tobor war zu Tränen gerührt.
Für die Akteure hatte Schulleiter Norbert Schmidt ein Dankeschön parat: Einen Eisgutschein. Eis, sagte Schmidt, sei seine Lieblingsspeise.
 
(Mit freundlicher Genehmigung des Haigerer Kuriers, Text und Foto: Ute Jung.)