StartArchivArchiv 2012"Frühlingserwachen" gibt sich düster

"Frühlingserwachen" gibt sich düster

Es ist keine leichte Kost gewesen, die der Kurs "Darstellende Kunst" der Jahrgangsstufe 9 der Haigerer Johann-Textor-Schule am Freitagabend den Zuschauern serviert hat: In dem Schauspiel "Frühlingserwachen - Eine Kindertragödie" aus der Feder von Franz Wedekind wird die Situation Heranwachsender in der Zeit um 1900, als Kaiser Wilhelm II. regierte, gezeigt. Es beschreibt die Situation mehrerer Jugendlicher, die mit ihrer Pubertät, mit der sich regenden Sexualität und dem erwachenden Intellekt konfrontiert werden - und dies in einer Zeit, in der viele Themen gesellschaftlich tabuisiert werden. Die teilweise hervorragende schauspielerische Umsetzung ließ die Szenen beklemmend düster und realistisch erscheinen.

Im Erste zarte Bande: Melchior und Wendla kommen sich langsam näher.Mittelpunkt der Geschehnisse steht Wendla Bergmann (gespielt von Ann-Sophie Bartholomäus), die sich mit Melchior Gabor (Lukas Rehm) anfreundet. "Die Babys bringt der Storch, alles andere musst du nicht wissen", hatte ihre Mutter (Damaris Widerstein) gesagt und sie mit ihren Fragen alleine gelassen. Moritz Stiefel (Lukas Wrinskelle) plagen ganz eigene Sorgen. Seine Versetzung ist gefährdet und er fühlt "erste männliche Regungen", wie er seinem besten Freund Melchior anvertraut. Was das mit Fortpflanzung zu tun hat, ist dem Jungen nicht so recht klar: "Ich weiß, dass Hühner Eier legen und Mama mich unter dem Herzen getragen hat." Da es ihm zu peinlich ist, mit dem aufgeklärten Melchior über dieses Thema zu sprechen, wird Melchior ihm ein bebildertes Schriftstück aufsetzen, das alle diesbezüglichen Fragen beantworten soll.

Auch Wendla unterhält sich mit ihren Freundinnen über das Kinderkriegen. Klar ist den Mädchen nur, dass sie "lieber 20 Jungen kriegen wollen als ein Mädchen, denn Mädchen sind langweilig". Martha Bessel (Melissa Franz) ist Wendlas beste Freundin und hat ein Auge auf Moritz geworfen. Sie verliert sich in Träumen, in denen sie Julia und Moritz Romeo ist. Wendla kommt Melchior bei einer Begegnung im Wald näher. Das Mädchen, das von seinen Eltern noch nie geschlagen wurde, verlangt von Melchior, sie zu verhauen: "Ich habe schon mal versucht mich selbst zu schlagen, aber das hat nicht geklappt." Nach anfänglicher Weigerung verliert der Junge die Kontrolle und schlägt Wendla, bis sie schreit.

Wendlas Mutter traut sich nicht, ihre Tochter aufzuklären.Die Freunde Otto (Lukas Kaiser) und Hänschen (Tillmann Knop) entdecken indes ihre homosexuellen Neigungen. Moritz möchte - da er versetzungsgefährdet ist - nach Amerika auswandern. Doch die fortschrittlich denkende Mutter von Melchior (Alina Triesch), die er um Hilfe bat und der er von seinen Selbstmordabsichtenn erzählte, verweigert ihm das Geld, das er zur Flucht benötigt. Sie versucht dem Jungen Mut zu machen und ihn vom Selbstmord abzuhalten. Zwischen Melchior und Wendla kommt es zum ersten sexuellen Kontakt. Wendla ist sich der Folgen dessen nicht bewusst, auch nicht als sie "Grippe" bekommt. Ihre Mutter sorgt für eine Abtreibung, an deren Folgen die 14-Jährige jedoch stirbt. Moritz stellt sich vor, wie Freunde und Familie bei seiner eigenen Beerdigung trauern und begeht seinen lang geplanten Selbstmord. Für den Selbstmord wird Melchior verantwortlich gemacht, da er Moritz Schriften mit unanständigen Zeichnungen anfertigte. Melchior wird in eine Besserungsanstalt geschickt, aus der er jedoch flieht. Es kommt am Friedhof zu einer finalen Begegnung mit dem toten Moritz, der ihn mit in das Totenreich nehmen möchte. Doch eine seltsame Frau (Stefanie Cloos), die auf dem Friedhof erscheint, vermittelt Melchior Hoffnung und er entschließt sich zum Weiterleben.

"Hat sich das Leben für die Jugendlichen in den vergangenen 100 Jahren zum Besseren verwandelt oder nicht?" Und "Was ist Moral?" Diese Fragen der seltsamen Frau werden die 160 Zuschauer sicher noch weiter beschäftigen. Mit viel Applaus bedankten die sich für die hervorragende Leistung der Schüler. Unter Leitung von Lehrer Thorsten Tobor hatten die Schüler im Unterricht und an zwei Probewochenenden das Stück eingeübt. Sehr provokante oder obszöne Stellen des Stückes habe er "poetisiert", das Stück aber ansonsten im Originalzustand gelassen, so Tobor.

Tief beeindruckt zeigte sich Schulleiter Gerald Lohwasser von der Aufführung. Er sei stolz, was die Schüler des neunten Jahrgangs auf die Beine gestellt hätten.

 

(Mit freundlicher Genemigung des Haigerer Kuriers, Text und Fotos: uju/s.)

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