Haiger, 31.01.2014.
Symbolträchtiger hätte das Bild kaum sein können. Während im Hintergrund die neuen Verwaltungsräume gemauert wurden, wurde gestern in der Aula der Johann-Textor-Schule ein Mann verabschiedet, der in den vergangenen 13 Jahren als der "Bauleiter" der JTS bezeichnet werden könnte.
In zwei emotionalen Feierstunden sagte die Schulgemeinde einem Pädagogen "Auf Wiedersehen", bei dem "immer der Mensch im Vordergrundstand", wie es ein Redner ausdrückte. Dass dabei nicht nur dem scheidenden Dr. Gerald Lohwasser streckenweise schwummrig zumute war, verstand sich von selbst. Nur gut, dass die Redner sich kurz fassten und viele Schüler-Beiträge - vor allem musikalischer Natur - für Kurzweil sorgten.
Der in Buseck lebende Familienvater hatte sich eine starke Beteiligung "seiner" Schüler gewünscht. Diese hätten bei ihm "immer an erster Stelle gestanden", meinte Lohwasser in seiner Abschiedsrede. Und so dürfte ihm die Verabschiedung in vielen Sprachen - von Spanisch bis zum "Aubacher Platt" - ebenso gefallen haben wie die Liedbeiträge. Darunter mit "Die Gedanken sind frei" und Cockers "Un chain my heart" (vorgetragen vom Lehrerchor) zwei Songtitel, mit denen der frischgebackene Pensionär "was anfangen kann", wie er selbst eingestand.
Wie schon sein Vorgänger Richard Umbach, der am Freitag zu den Gästen in der Aula gehörte, musste sich auch Dr. Lohwasser gefallen lassen, vom Hobby-Kabarettisten und ehemaligen Lehrer Erwin Rau "abgeklemmt" zu werden. Der Handwerker mit der riesigen Rohrzange erklärte, er habe in der Vergangenheit in Haiger schon jede Menge Kalt-, Warm- und Brauchwasser-Leitungen "still gelegt". Jetzt komme die "Lohwasser-Leitung" an die Reihe, "diewo ständig unner Spannung und unner Druck stehe tut". Da ist vermutlich etwas Wahres dran, auch wenn das Vorurteil "Der ist wie ein Ge neral" sich glücklicherweise nicht bewahrheitete.
Der Elternbeiratsvorsitzende Hartmut Jaeger hatte diese Beurteilung vor Lohwassers Wechsel nach Haiger aufgeschnappt, bescheinigte dem Direktor aber gestern, er sei kein General gewesen, sondern habe "als Kapitän den Ozeanriesen JTS sehr gut gesteuert". Er habe als Pragmatiker viele vernünftige Lösungen gefunden und müsse nun lernen, das "Steuer loszulassen". Jaeger wünschte ebenso alles Gute für die Zukunft wie der einstige Kollege Helmut Haas ("Et woar gout - Du hast die Schule weiterentwickelt") und Günther Brée vom JTS-Förderverein, der sich für die "wohlwollende Begleitung" bedankte.
Der stellvertretende Schulleiter Matthias Deffner lobte die kommunikativen Fähigkeiten seines Vorge setzten. "Sie haben das Heft in die Hand genommen und andere mit ins Boot geholt. Ihr vorausschauendes Handeln hat die Schule nachhaltig geprägt." "Geduld" sei dabei eher nicht die herausstechendste Eigenschaft Dr. Lohwassers gewesen, scherzte Deffner und lobte dessen offene und direkte Art: "Sie haben immer gefragt, wie sich Entscheidungen für die Schüler auswirken."
Die Textor-Schule und ihre Schulleitung seien "auf dem richtigen Weg" und leisteten sehr gute Arbeit, lobte der Kreisbeigeordnete und Schuldezernent Heinz Schreiber (Grüne), während der Erste Stadtrat Klaus-Peter Albrecht (CDU) feststellte, Lohwasser habe "der Schule seinen Stempel aufgedrückt". Dass die JTS nicht nur in Haiger positiv wahr genommen werde, sei auch sein Verdienst.
"Großes Engagement, das nicht am Schultor endete", bescheinigte die Leitende Schulamtsdirektorin Claudia Engelhardt dem scheidenden Kollegen. Der Doktor der Sozialwissenschaften habe als Direktor wesentliche Werte wie Vertrauen, Integrität, Verantwortung, Respekt, Mut und Nachhaltigkeit gelebt. Wissensvermittlung sei sicher wichtig, aber es komme in der Schule auch darauf an, den jungen Menschen Werte mitzugeben. Das werde an der "Schule für alle", wie sich die Textor-Schule selbst nenne, vor bildlich umgesetzt.
"Wir brauchen eine Schule, die offen ist für unter schiedliche Begabungen, unterschiedliche kulturelle und familiäre Hintergründe", brach Lohwasser in seiner Abschiedsrede eine Lanze für die Gesamtschule. Er sehe sich als Teil der Gemeinschaft und habe stets dazu beitragen wollen, dass "die Schüler gerne bei uns lernen und arbeiten". Jeder Pädagoge freue sich, "wenn die jungen Menschen ihren Weg finden". Er habe seine Aufgabe nie als "One-Man-Show" empfunden, sondern gerne im Team gearbeitet, meinte der gebürtige Vogelsberger, der sich bei seiner Familie ("Ihr habt mir den Rücken frei gehalten"), dem Kollegen-Team und vor allem bei seiner Sekretärin Frau Sondermann bedankte. Neben vielen guten Wünschen erhielt der Pädagoge Buchgeschenke sowie Theater- und Konzertkarten. Das Buch "Wenn der Wecker nicht mehr klingelt" werde er sich allerdings nicht anschaffen, versprach der Pädagoge, der vermutlich auch ohne Ratgeber für Neu-Pensionäre zurechtkommen dürfte.
(Mit freundlicher Genehmigung des Haigerer Kuriers, Text und Foto: Ralf-Stefan Triesch)