Haiger, 04.11.2021
Die AG „Geschichtskurs der Stadt Haiger“ der JTS war heute zu Gast im Haigerer Stadtarchiv. Denn momentan arbeiten die Schülerinnen unter Leitung von Susanne Menges, die selbst im Archiv beschäftigt ist, an einer Rekonstruktion der Stadt um 1750. In Zusammenarbeit mit der 3D-Druck AG soll so ein 3D-Modell entstehen, das nach Fertigstellung auf dem Hessentag gezeigt wird.
Dazu haben die Schülerinnen bereits alte Landkarten studiert und eine eigene Kartenskizze der Stadt angefertigt. „Eine Herausforderung dabei war, dass die Stadt 1723 nahezu komplett abgebrannt ist.“ erklärt Menges. Außerdem ist die Gruppe auf den Haigerer Kirchturm gestiegen, um von oben einen besseren Überblick über die Stadt zu bekommen.
Beim heutigen Besuch ging es nun darum, einen ersten Einblick in die Arbeit in einem Archiv zu bekommen. Empfangen wurden sie von einer Mitschülerin aus dem neunten Jahrgang, die dort derzeit ein Praktikum absolviert. Sie erklärte ihnen zunächst die Hauptaufgaben eines Archivs: Archivgut, wie alte Akten, Grundbücher, Landkarten oder Zeitungsartikel zu sichten, sicher und geschützt aufzubewahren und bei Bedarf auch zu reinigen. Die Beantwortung von Rechercheanfragen, die Unterstützung der Stadtverwaltung beim Archivieren ihrer Unterlagen und die Datenbankpflege zählen ebenfalls dazu.
Das Archiv ist in mehrere Aufbewahrungsräume, sog. „Magazine“ eingeteilt. In einem solchen Magazin lagern etwa die alten Stadtkarten. Besonders wichtig sind dabei eine konstante Lufttemperatur und -feuchtigkeit, sowie der Schutz vor Sonnenlicht, um das teils sehr empfindliche Material nicht zu beschädigen. Dennoch gibt es immer wieder alte Unterlagen, die von Schimmel angegriffen sind, etwa weil sie lange in einem feuchten Keller gelagert worden sind. Um sich selbst bei der Arbeit zu schützen, gibt es eine sog. „Reinraumwerkbank“. Dort wird das Archivgut in einem geschlossenen Raum hinter einer Schutzscheibe abgelegt, sodass man bei der Bearbeitung vor Staub, Schimmel geschützt ist.
Erstaunt waren die Schülerinnen, welche Schätze die beiden Beschäftigten des Archivs, Menges und ihre Kollegin Sibylle Kasteleiner, ihnen präsentierten. Von einem Zeitungsartikel der „Zeitung für das Dillthal“ von 1878 über alte Lagerbücher mit Angaben zu Grundstückseigentümern und Kartenskizzen aus dem 18. Jahrhundert bis hin zu Fotos des zerstörten Haiger aus dem 2. Weltkrieg und Bildern der 1958 gebauten Gebäude der heutigen Johann-Textor-Schule war viel Spannendes und Wissenswertes dabei.
So erfuhren die Schülerinnen etwa, dass viele Gebäude aus den alten Lagerbüchern heute noch stehen und die damaligen Kartenskizzen somit teils heute noch passen, dass Haiger 1945 zu etwa 60% zerstört war oder dass bei Frauen früher ein „-in“ an den Familiennamen angehängt wurde. Das älteste Archivstück, eine Urkunde über einen Grundstückskauf aus dem Jahr 1607, bekamen sie ebenfalls zu Gesicht. Sie lernten, dass „Kassieren“ im Archiv nichts mit Bezahlen zu tun hat, sondern die Vernichtung von Unterlagen meint, die keinen historischen Wert mehr besitzen.
Zur Überraschung der Kursteilnehmerinnen gibt es bereits ein Modell der historischen Stadt Haiger. Es wurde in den 1960er Jahren anhand von Kupferstichen angefertigt. Allerdings entspricht es nicht mehr dem modernen Kenntnisstand. So weiß man heute, dass das Rathaus an einer anderen Stelle gestanden hat, Haiger statt vier Stadttorhäusern nur zwei besessen hat und dass es den Marktplatz in der Stadt 1750 noch gar nicht gab.
„Der heutige Besuch war sehr interessant. Ich war noch nie in einem Archiv und kann mir jetzt gut vorstellen, wie dort gearbeitet wird.“ fasst eine Schülerin ihre Eindrücke zusammen. Als nächster Termin steht für die Schülerinnen ein Treffen mit einem Architekten an. Er kann zur Rekonstruktion des Stadtmodells dreidimensionale Messdaten des heutigen Haigers liefern. Diese sollen dann die Schülerinnen und Schüler der 3D-Druck AG beim Erstellen des digitalen Modells unterstützen. Außerdem zeichnet der Geschichtskurs Skizzen von Gebäuden, Türmen und Stadtmauern, die dann als 3D-Modelle am Computer umgesetzt werden. Es gilt also noch, viele kleine historische Puzzleteile zusammenzufügen.